Erläuterungen zur 1. Vorlage
Bundesbeschluss über die kantonalen Liegenschaftssteuern auf Zweitliegenschaften
Die Bundesverfassung wird wie folgt geändert:
I
Art. 127 Abs. 2bis
2bis Die Kantone können bei Liegenschaftssteuern auf überwiegend selbstgenutzten Zweitliegenschaften in den Schranken der Bundesgesetzgebung von den Grundsätzen nach Absatz 2 abweichen, sofern der Mietwert von selbstgenutzten Zweitliegenschaften vom Bund und von den Kantonen nicht besteuert wird.
3 SR 101
II
1 Dieser Beschluss wird Volk und Ständen zur Abstimmung unterbreitet.
2 Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten.
Der Artikel 127 der Bundesverfassung lautet folgendermaßen:
Art. 127 Grundsätze der Besteuerung
1 Die Ausgestaltung der Steuern, namentlich der Kreis der Steuerpflichtigen, der Gegenstand der Steuer und deren Bemessung, ist in den Grundzügen im Gesetz selbst zu regeln.
2 Soweit es die Art der Steuer zulässt, sind dabei insbesondere die Grundsätze der Allgemeinheit und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung sowie der Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu beachten.
Ausgangslage
Das Parlament strebt bei der Besteuerung des Eigenmietwerts seit geraumer Zeit einen Systemwechsel an: Es möchte die gewisse Besteuerung aufheben und dafür gleichzeitig die heutigen Abzugsmöglichkeiten stark einschränken. Um sich dem anzunähern ist die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates überzeugt, dass es bei der Wohneigentums-Besteuerung ein einheitliches System für Erst- und Zweitliegenschaften braucht. So soll der Eigenmietwert auf Zweitliegenschaften nicht mehr besteuert werden. Auf weitere Sicht besteht zudem die Absicht, die Eigenmietwert-Besteuerung ganz wegfallen zu lassen.
Die Verfassungsänderung soll die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die betroffenen Kantone und Gemeinden ihre Einbußen - wegen der wegfallenden Steuer für selbstgenutzte Zweitliegenschaften - kompensieren können.
Das soll durch höhere, aber nach oben durch den Bund begrenzte Liegenschaftssteuern ermöglicht werden.
Auswirkungen
Die Verfassungs-Erweiterung ermöglicht den Kantonen und Gemeinden, die Steuer auf selbstgenutzte Zweitliegenschaften abzuschaffen. Als als Kompensation soll die Liegenschaftssteuer auf die selbstgenutzten Zweitwohnungen ausgedehnt werden. Die Höhe der Steuer wird vom Bund gesetzlich begrenzt.
Der Nationalrat will:
- Der Nationalrat will aus verwaltungs-ökonomischen Gründen die Zweitliegenschaften in das neue Besteuerungs-System einbeziehen.
- Für ihn ist es schwer begründbar, wieso die Eigennutzung von Erst- und Zweitliegenschaften weiterhin steuerlich unterschiedlich behandeln werden sollen. Das ermöglicht Steuerschlupflöcher.
- Er möchte die Abzugsmöglichkeiten stark einschränken, um die Besteuerung zu vereinfachen.
- Man verspielt das mögliche Vereinfachungs-Potenzial, wenn weiterhin zwei Systeme parallel zueinander laufen.
- Mit dem Wegfall der Steuer auf selbstgenutzte Zweitliegenschaften kann die Problematik der «kalten Betten» entschärft werden, weil voraussichtlich die Touristen-Betten (also nicht selber genutzte Zweitliegenschaft) höher besteuert werden.
- Die Einführung der Liegenschafts-Besteuerung erzeugt verstärkte Anreize, um Hypotheken zu amortisieren und Schulden zu reduzieren. Sie regt zudem an die Liegenschaft an einen kapital-stärkeren Erwerber zu veräußern. Weil die Abzugsmöglichkeit von Schuldzinsen weiterhin gewährleistet ist, werden die selbstgenutzten Liegenschaften stärker temporär vermietet. Damit hat die Liegenschaftssteuer eine gewisse Lenkungswirkung; sie kann «kalten Betten» vorbeugen.
- Die Kann-Vorschrift in der Verfassung ermöglicht es den Kantonen und Gemeinden die Liegenschaftssteuer als zielgerichtetes Instrument zum Ersatz für wegfallende Zweitwohnungsteuern einzusetzen.
- Der Systemwechsel wird zu abnehmenden Schwankungen beim Steuer-Aufkommen führen.
Der Ständerat will
- Der Ständerat wünscht die selbstgenutzten Zweitliegenschaften vom Systemwechsel auszunehmen, weil er um die Einnahmen der Berg- und Tourismus-Kantone sowie die Gemeinden fürchtet.
- Die heute maximal zulässigen 3 Promille von der Liegenschaftssteuer reichen nicht aus, um die wegfallenden Einnahmen aus der Eigenmietwert-Besteuerung auszugleichen.
- In den Tourismus-Kantonen Bern, Graubünden, Tessin und Wallis kommt bereits heute eine Liegenschaftssteuer zur Anwendung. Bei Annahme der Verfassungs-Ergänzung erhalten sie keine zusätzlichen Möglichkeiten zum Ausgleich der Einnahmen-Ausfälle.
- Die Hälfte der Kantone, verschiedene Organisationen und Verbände lehnen diese Vorlage ab, weil sie glauben, dass die Liegenschaftssteuer das System eher noch aufwändiger mache als das bisherige.
- Außerdem würden sich viele Abgrenzungsfragen stellen.
- Die Verfassungsänderung würde einen zusätzlichen administrativen Aufwand bei der Einkommenssteuer erfordern, vor allem dort, wo die Zweitliegenschaft partiell selbst genutzt und partiell vermietet wird.
- Der Wegfall der Besteuerung auf selbstgenutzte Zweitwohnung erfordert einen höheren nationalen Finanzausgleich.
Auswirkung auf den Systemwechsel und die Eigenmietwert-Besteuerung
Es wird behauptet, die Abstimmungs-Vorlage sei gekoppelt an das Bundesgesetz über den Systemwechsel bei der Wohneigentumsbesteuerung. Es wird zudem gesagt, dass nur dann, wenn die Verfassungsänderung in der Volksabstimmung von Volk und Ständen angenommen wird, könne die Vorlage für den Systemwechsel bei der Wohneigentumsbesteuerung in Kraft gesetzt werden. Das ist ebenso wenig zutreffend, wie die Aussage, dass diese Verfassungsänderung nötig sei, um die Eigenmietwertbesteuerung auf selbstgenutztes Wohneigentum abzuschaffen. Diese beiden Anliegen können auch anders erreicht werden. Wobei fraglich ist, wie sinnvoll die Abschaffung der Besteuerung der Eigenmiete wäre ?
Es scheint bei der laufenden Diskussion auch darum zu gehen, dass die Tourismus-Kantone keine Steuereinbussen erleiden, beziehungsweise dass sie für Steuerausfälle genug Ausgleich erhalten. Den Ausgleich müssten die Steuerzahler bezahlen.
Ungenutzter Besitz und Reduzierung der Gästebetten über Besteuerung
In der Regel erhöhen die Liegenschaftssteuern die Steuern von Zweitliegenschafts-Besitzern und reduzieren damit die Nachfrage nach Zweitliegenschaften. Diese Neuerung kann zudem Anreize setzen, damit das Ferienhaus oder die Ferienwohnung den überwiegenden Teil des Jahres nicht ungenutzt gelassen wird.
Durch die Einführung der Liegenschaftssteuer kommt es zu einer Einschränkung des Schuldzinsen-Abzugs. Das verringert das Schuldenmachen, was sehr erwünscht ist.
Über was stimmen wir wirklich ab ?
Wie die oben erwähnten Argumente zeigen, wurde in den Parlamenten heftig um wirtschaftlichen Aspekte gestritten.
Jedoch alle genannten Argumente sind bloße Spekulationen. Darüber steht in der vorgeschlagenen Verfassungsänderung rein gar nichts !
Es ist entscheidend zu erkennen, dass wir bei dieser Vorlage einzig über Folgendes abstimmen werden: "Soll die derzeitig gültige Verfassungsbestimmung, welche die Gleichmäßigkeit der Besteuerung sowie der Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit vorschreibt, aufgeweicht werden ?"
Das bedeutet, dass die vorgeschlagene Verfassungs-Erweiterung keines der erwähnten wirtschaftlichen Anliegen erzwingt. Es wird weitestgehend von den ParlamentarierInnen abhängen, ob die genannten Anliegen erneut aufgegriffen und in eine wünschbare oder schädliche Richtung entwickelt werden.
Schlussfolgerung.
Generell sollen alle Lasten von allen gemeinsam getragen werden. Dementsprechend sollen alle Einkommen und Vermögen grundsätzlich gleich besteuert werden. So gesehen sollte eine gerechte Besteuerung nicht nur für selbstgenutzte Wohnungen eine Selbstverständlichkeit sein.
Deshalb dürfen die Grundsätze der Gleichmäßigkeit der Besteuerung sowie der Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht aufgeweicht werden !
Abstimmungsempfehlung "Nein"
.